KNX galt in den letzten Jahren als Synonym für fest verkabelte Gebäudeautomation. Die Verlegung der Kabel erforderte bauliche Eingriffe wie das Öffnen von Wänden, Decken oder Böden. Bauherren mussten aufgrund dessen die Entscheidung für oder gegen ein KNX-System am besten vor Beginn ihres Neubauprojektes oder Haussanierung treffen.
Das Anliegen, auch nach der Bauphase ein smartes Zuhause mit KNX auszustatten oder weitere smarte Teilnehmer später unkompliziert einzubinden, entwickelte sich zu der innovativen Idee, die KNX-Welt um Funklösungen zu erweitern.
In diesem Blogartikel erklären wir dir alles rund um diesen neuen funkbasierten Standard, zum Beispiel was bei der Installation zu beachten ist und welche Vor- und Nachteile die KNX-Funkfamilie mit sich bringt.
Was ist KNX-RF?
KNX-RF – Vergleich mit anderen Systemen
Im drahtgebundenen KNX-System (TP = twisted pair) erfolgt die Kommunikation – sprich der Austausch von Informationen und Steuerungsbefehlen zwischen den smarten Komponenten – über das grüne BUS-Kabel.
KNX-RF (radio frequency) ist das funkgesteuerte Geschwister des KNX-BUS. Für die drahtlose Funkversion gibt es ebenfalls einen Standard, um die Komptabilität zwischen intelligenten Bauteilen unterschiedlicher Produkteure zu gewährleisten. Somit bleibt auch im KNX-Funksystem die Herstellerunabhängigkeit erhalten, sodass du Produkte unterschiedlicher Marken kombinieren kannst.
Technische Details zu Funkkollisionen und Codierung
Die Geräte können sowohl Informationen versenden als auch empfangen. Um Funkkollisionen zu vermeiden, horcht jeder Sender erst, ob der Funkkanal frei ist (listen before talk) und wartet außerdem eine variable, zufällige Zeit ab, bevor er sendet.
Die sogenannte Manchester Codierung sorgt dafür, dass das Signal sich stets selbst synchronisiert und die Fehlerrate minimal bleibt. Das bedeutet, dass Daten auch über Funk stabil und zuverlässig übertragen werden.
Frequenzbereich und Auswirkungen
Die KNX-Funkgeräte arbeiten auf einer Frequenz von 868 MHz, wobei die übertragbare Datenrate bei 16 KBit/s liegt. Dank der geringen Latenzzeit reagiert dein Smart Home in Echtzeit auf Befehle – ideal für smarte Lichtsteuerung oder automatisierte Jalousien.
Diese Frequenz ist Teil des SRD-Bandes (Short Range Device), einem europaweit geltenden genehmigungsfreien Frequenzbereich. Folglich haben die RF-Geräte zwar eine kleinere Reichweite aufgrund der geringen Ausgangsleistung, nehmen aber auch keinen Einfluss auf andere Systeme.
Programmierung und Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme von KNX RF-Geräten erfolgt über die gleiche ETS-Software wie bei den kabelgebundenen KNX-Komponenten. Die Funkgeräte sind problemlos in das bestehende KNX-Systeme integrierbar, indem sie in der Software eingerichtet und mit anderen Geräten verknüpft werden.
KNX-RF und Sicherheit
Sind Smart Homes nicht eine Zielscheibe für Hackerangriffe? Diese Frage geistert Bauherren berechtigterweise oftmals durch den Kopf. Theoretisch können sich Einbrecher Zutritt verschaffen, indem sie beispielsweise Türschlösser oder die Alarmanlage manipulieren.
Dieses Unterfangen gelingt aber nur, wenn im Voraus nicht die empfohlenen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Dazu gehört vor allem das KNX-Protokoll zu codieren. KNX stellt hierfür verschiedene Sicherheitsprotokolle wie KNX Data Secure und KNX IP Secure zur Verfügung, die eine starke Verschlüsselung sicherstellen. Zudem ist es wichtig, das Heimnetzwerk zu sichern und physischen Zugang zu den BUS-Kabeln zu verhindern.
Die KNX-RF Geräte unterstützen ebenfalls die bewährten Secure Funktionen von KNX. So ist gewährleistet, dass weder Fremde noch Kriminelle eine Chance haben, sich unerlaubten Zutritt zu verschaffen.
Montage/Positionierung von KNX-RF Bauteilen
Aus welchen Komponenten besteht ein KNX-RF System?
Neben den KNX-RF Geräten, wie Tastsensoren oder Schaltern, sind noch kleine Aktoren wichtig, die –in Unterputzdosen montiert-kaum auffallen. Diese Aktoren empfangen die Signale, z.B. bei Betätigung einer Taste und führen den in der ETS definierten Schaltmechanismus aus. Der Montageaufwand ist damit recht gering, zumal die Funkaktoren meist in bestehende Gerätedosen einbaubar sind. Dennoch reicht manchmal der Platz dort nicht aus und es entsteht die Notwendigkeit neue Dosen zu installieren.
Falls die KNX RF Welt mit dem kabelbasierten KNX-System verbunden werden soll, muss ein Medienkoppler oder – neu bei ETS 6 – ein Segmentkoppler zum Einsatz kommen (s. auch Artikel Neue Funktionen der ETS 6 auf einen Blick: Verbesserte Topologie durch Segmentkoppler). Darüber hinaus benötigst du eine oder mehrere Spannungsversorgungen.
Abhängigkeit der Reichweite von Positionierung und Materialität
Sendungsreichweite von KNX-RF Geräten
Die Sendungsreichweite von KNX-RF Teilnehmern hängt stark von individuellen Faktoren wie die jeweiligen baulichen Gegebenheiten des Gebäudes und von der Korrektheit der Montage ab. Diese erreicht bei guten Bedingungen um die 30m, kann aber bei ungünstigen Umständen auch nur wenige Meter betragen.
Die KNX-RF Geräte senden zur Kommunikation Funksignale in Form von elektromagnetischen Wellen aus. Deren Stärke nimmt mit dem Quadrat der Entfernung ab. Ein Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Wenn ein KNX-RF Funkteilnehmer bei einem vorher getesteten Abstand x eine normale Sendungsleistung aufweist, liegt diese bei Verdopplung des Abstandes nur noch bei einem Viertel und bei Vervierfachung lediglich bei einem Sechzehntel:
Abstand in m | 5 | 10 | 20 |
Signalstärke | 1 | 1/4 | 1/16 |
Die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen ist dabei deutlich besser in Richtung der Montagerichtung als gegen diese.
Einfluss von baulichen Gegebenheiten auf das Funksignal
Ebenso haben die Materialbeschaffenheit und -dicke von Wänden, Decke oder Böden sowie das Mobiliar einen erheblichen Einfluss auf die schnelle und erfolgreiche Übertragung der Funkwellen:
Sinnvolle Platzierungsvorschlänge für KNX-Funkbauteile
Tipps für eine korrekte Positionierung
Eine reibungslose Kommunikation der Funk-Teilnehmer steht und fällt mit einer bedachten Platzierung der Geräte. Bereits in der Planung sollte man berücksichtigen, welche Komponenten miteinander kommunizieren. Wände und Decken, die zwischen Sender und Empfänger liegen, schwächen das Funksignal. Daher sollten Funkwellen diese Hindernisse möglichst auf kurzem Weg (am besten rechtwinkliger Durchgang) durchdringen.
Auf einen größeren Abstand zu Metallflächen ist zu achten, da diese als undurchdringliche Barriere die im Funkschatten liegenden Geräte abschirmen, sodass ein Empfangen oder Senden von Befehlen nicht möglich ist.
Sind miteinander interagierende KNX-RF Geräte an oder nahe einer langen Wand positioniert, kann dies zu unerwünschten Folgen führen. Die weitläufige Wand bietet nämlich eine ideale Reflektionsfläche für die Übertragungswellen. Die umgelenkten Funksignale kommen nicht am Zielort an oder überlagern sich mit den auf direktem Weg ankommenden Wellen. Die Konsequenz ist dieselbe: Das Signal kann nicht ausgewertet werden und die festgelegte Automation bleibt aus.
Weitere elektrische Geräte wie Trafos, EVGs, Mikrowellen, Motoren, schnurlose Telefone oder WLAN-Geräte können das Zusammenspiel der Geräte stören und sollten sich deswegen nicht unmittelbar in der Nähe befinden.
Zudem ist es wichtig, KNX-RF Geräte gleich auszurichten und nicht in Bodennähe zu montieren.
Einsatz von Repeatern zur Signalverstärkung
Damit ein Sender auch weiter entfernt liegende Empfänger erreichen kann, gibt es die Option die RF-Geräte oder Medienkoppler als Repeater einzusetzen, um das Signal zu verstärken. Aktivierbar ist diese Retransmitter–Funktion in der ETS in den Eigenschaften des Gerätes unter Einstellungen. Dennoch ist dieses Feature gezielt und nur dort, wo es wirklich sinnvoll ist, einzurichten. Die optimale Stelle für einen Repeater zu lokalisieren, ist in vielen Fällen nicht ganz trivial und erfordert Erfahrung des Monteurs. Meistens muss vor Ort getestet werden, wo ein Repeater seinen idealen Platz findet.
Fazit: Vor- und Nachteile von KNX-RF
Der KNX-Funkstandard erweitert die Möglichkeiten der Gebäudeautomation erheblich. Der Herzenswunsch von Bauherren, sich in ihrem Zuhause ein KNX-System nachzurüsten ohne Wände für eine komplexe Verkabelung aufzureißen, ist nun erfüllbar.
Durch die Vermeidung kostenintensiver baulicher Maßnahmen bei Einsatz von KNX-RF Komponenten sparen sich Hausbesitzer auf jeden Fall einiges an Geld. Der Montageaufwand ist vergleichsweise gering, weil meistens bereits vorhandene Elektronikdosen nutzbar sind.
Auf Kabel kann sogar gänzlich verzichtet werden, wenn die Versorgung der RF-Teilnehmer batteriebetrieben erfolgt. Dies ermöglicht sogar die Montage von Tastern auf Glaswänden.
Dank der bewährten Kompatibilität mit Geräten unterschiedlicher Hersteller, wie es bereits vom kabelgebundenen System bekannt ist, können Nutzer ihr Funksystem jederzeit flexibel erweitern.
Smart Home Liebhaber, die bereits ein festverkabeltes KNX-System besitzen, können ebenfalls ihr System problemlos mittels eines Linien-, bzw. Segmentkopplers um RF-Mitglieder bereichern. Allerdings sind die RF-Varianten um einiges teurer als ihre drahtgebundenen Geschwister.
Da es sich um Funkverbindungen handelt, müssen außerdem bei der Installation immer die baulichen Gegebenheiten hinsichtlich der Reichweite der Signalwellen genauer betrachtet werden. Für die Positionierung der Bauteile in komplexen Fällen ist es ratsam, einen Experten hinzuzuziehen.
Quellen
- Albrecht Jung GMBH & CO. KG (Stand 13.01.2016): KNX. Systemdokumentation KNX RF.
- Theben (Stand 08.02.2021): KNX RF. Ein Systemhandbuch.
- MDT (Stand 11/2019): Technisches Handbuch. MDT Funk Linienkoppler KNX RF+. RF-LK001.02.
- Günder, Alina (Stand: 30.01.2020): KNX RF Smart Home Funkstandard einfach erklärt. KNX-RF – kabellose Funk-Steuerung von KNX Systemen im Smart Home. https://www.homeandsmart.de/knx-rf-funkstandard
- Schlaich, Tino (Stand: 03.05.2024): KNX-Funk: Was ist wo geeignet? https://gebaeudedigital.de/haus-und-gebaeudeautomation/knx-funk-was-ist-wo-geeignet/
- Baunetz-Wissen Glossar: https://www.baunetzwissen.de/glossar/k/knx-rf-8293208
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