Viele technikbegeisterte Bauherren haben Freude daran, die letzte Phase ihres smarten Bauvorhabens selbst in die Hand zu nehmen: Die Programmierung der Automationen im zukünftigen Smart Home. Jeder kann hierzu die dazugehörige Software freiverkäuflich erwerben und den Umgang mit dieser durch Kurse oder Selbststudium autodidaktisch erlernen. Mit der ETS 5 haben bereits zahlreiche Planende erfolgreich ihr Smart Home zum Leben erweckt.
Die KNX-Association hat 2021 eine neue Version des Programms auf den Markt gebracht. Die Herausgabe warf einige Fragen auf, darunter auch, welche Neuerungen sowie Vorteile die ETS 6 ihren Nutzern im Vergleich zu der älteren Variante bietet.
In diesem Blogbeitrag nehmen wir die ETS 6 genau unter die Lupe, indem wir dir alles rund um die aktuell erhältliche Software ETS 6 erklären und dir dabei helfen eine fundierte Entscheidung für oder gegen die neue Anwendung zu treffen, falls du bereits ETS 5 für dein Home-Automation Projekt verwendest.
Was ist die ETS und wofür wird sie verwendet?
Die Engineering Tool Software – kurz ETS – wurde von der KNX-Association für die Inbetriebnahme der smarten Geräte entwickelt. Es geht darum, dass die richtigen Verknüpfungen zwischen Kommunikationsobjekten wie Taster oder Präsenzmelder und den ausführenden Funktionen hergestellt werden, damit die KNX-Geräte genau den Steuerungsbefehl ausführen, der von dir festgelegt wurde.
Klingt kompliziert? Wer einmal das Vorgehen verstanden hat, kann mit der ETS die Automationen für sein gesamtes Haus samt Außenbereich einrichten.
Bevor du weiterliest, schau doch gerne kurz zuerst bei unserem Blogbeitrag KNX-Programmierung lernen – ETS5 Grundlagen und Anleitung vorbei. Dort findest du alle grundlegenden Begriffe zum Thema ETS und ein Schritt für Schritt Vorgehen, wie du mit der ETS 5 die Anforderungen in deinem Smart Home richtig umsetzt.
KNX – Projektierung mit der ETS6
Projektstruktur aufsetzen
Damit dein zukünftiges Smart Home deine Befehle auch gehorsam ausführt, solltest du darauf achten, dein Projekt sauber anzulegen. Dafür musst du zuerst die Gebäudestruktur mit ihren Stockwerken und Räumen abbilden. Durch Hinzufügen von Gebäudeteilen, Etagen und Räumen ergibt sich eine hierarchische Struktur, ähnlich dem Ordnersystem bei Windows. ETS 6 bietet dir dabei einen bunten Mix an Symbolen, um die Übersichtlichkeit durch die graphischen Elemente zu erhöhen.
Physikalische Adressen vergeben
In den Räumen gibt es nun eine Reihe an Automatismen, die durch den Steuerungsbefehl eines Sensors oder Tasters ausgelöst werden. Zum Beispiel soll in deinem Wohnzimmer die Steuerung der Beleuchtung über einen Präsenzmelder und einem Taster erfolgen.
Dazu müssen die smarten Komponenten miteinander kommunizieren. Vergleichbar mit der Zustellung eines Briefes per Post, benötigt jedes Gerät eine eindeutige Adresse, wir sprechen in der KNX-Welt von sogenannten physikalischen Adressen.
Wie schaut das Ganze in der Praxis aus? Die Software nimmt dir bei der Vergabe der physikalischen Adressen bereits viel Arbeit ab. Deine Aufgabe ist es an dieser Stelle lediglich, den Katalog in deinem Projekt zu öffnen, über die Suchleiste via Artikelnummer das Produkt ausfindig machen und es dann in den jeweiligen Raum hineinzuziehen. Konkret: Der Taster und der Präsenzmelder werden jeweils in dem Produktkatalog gesucht und in den Raum “Wohnzimmer” hineingezogen. Für die Steuerung wird zusätzlich noch ein Aktor benötigt, der dann in den “Technikraum” per drag and drop seinen Platz findet.
Voraussetzung aber ist, dass die ETS mit den entsprechenden Produktdatenblätter der Hersteller gefüttert ist. Diese musstest du früher auf der Herstellerseite herunterladen und in die Software importieren. Inzwischen sind fast alle Produkte im von der Konnex gepflegten Online-Katalog hinterlegt.
Gerät beschreiben und Parameter einstellen
Nach dem Einfügen der Geräte in die jeweiligen Räume, ist der nächste Schritt, diese möglichst eindeutig zu beschreiben und weitere Einstellungen vorzunehmen. Es muss schließlich festgelegt werden, was der jeweilige Aktor schalten, oder welche Funktionen ein Tastendruck auslösen soll. Eine sprechende, eindeutige Bezeichnung für den Taster aus unserem obigen Beispiel wäre z.B. TS Wohnen Tür Süd. Unter dem Reiter Parameter stellst du dann die Tastenbelegung ein, sprich was die Tastenberührung im Raum bewirkt (Taste 1 Licht schalten, …).
Im Anschluss beschriftest du das entsprechende Gerät mit der eindeutigen Beschreibung, sodass die Zuordnung der Geräte zu den vorgesehenen Positionen bei der Montage unmissverständlich ist.
Gruppenadressen erzeugen
Der nächste Schritt ist essenziell. Denn jetzt werden die Adressen bestimmt, über welche die zusammengehörigen smarten Geräte miteinander verbunden werden.
Dafür musst du keine Programmiersprache beherrschen, sondern lediglich die korrekte hierarchische Struktur anlegen und die Kommunikationsobjekte dort richtig einordnen.
Struktur anlegen:
In einem neuen Fenster in deinem Projekt legst du nun eine 3 Ebenen-Struktur an, aus der die Gruppenadresse resultiert:
- 1. Ebene: Gebäudeteil (Erdgeschoss, Obergeschoss…)
- 2. Ebene: Gewerk (Beleuchtung, Jalousien, …)
- 3. Ebene: Funktionen (z.B. Wohnen Beleuchtung an/aus)
Die drei Ebenen nennt man auch Hauptgruppe, Mittelgruppe und Untergruppe. Bei der Erstellung bist du bis zu einem gewissen Grad flexibel. So kannst du dir deine Gruppenadressen auch so aufbauen, dass deine Hauptgruppe (1.Ebene) die Gewerke sind und die 2. Ebene (Mittelgruppe) der Gebäudeteil.
Das Gewerk Beleuchtung könnte mit der Nummer 1 gekennzeichnet sein, die Beschattung mit der 2, usw. Die Gruppenadresse für das Schalten der Beleuchtung im Wohnzimmer würde demnach Erdgeschoss / Beleuchtung / Wohnen Beleuchtung an/aus oder 2/1/1 lauten. Die Gruppenadresse für die Steuerung der Flurbeleuchtung im EG wäre demnach 2/1/2.
Nun öffnest du ein zweites Fenster „Gebäudeansicht“, wählst das jeweilige Kommunikationsobjekt aus und ziehst es in die dazugehörige Gruppenadresse. Wenn beispielsweise Taste 1 und Taste 3 unseres Tastsensors die Beleuchtung im Wohnzimmer schalten, werden diese und der dazugehörige Aktor in die Gruppenadresse Erdgeschoss / Beleuchtung / Wohnen Beleuchtung an/aus (2.1.1) gezogen.
Unter dem Reiter Topologie kannst du nachprüfen, ob die ETS all deine Geräte korrekt zu der Linie hinzugefügt hat und hast die Möglichkeit ggf. noch weitere Geräte wie Linienkoppler und Spannungsversorgungen hinzuzufügen oder anderweitige Anpassungen vorzunehmen.
Im Anschluss erfolgt die Inbetriebnahme der Anlage und die Erstellung der Dokumentation.
Neue Funktionen der ETS 6 auf einen Blick
Verbesserte Übersichtlichkeit und smartere Workflows
Wer die ETS 6 auf seinen Rechner öffnet, wird von einem strukturierten Dashboard begrüßt. Die Listenansicht von ETS 5 ist einer ansprechenden Kacheloptik mit Bildern der einzelnen Projekte gewichen. Der Projektierende kann zu jedem Bauvorhaben Metadaten einfüllen und Schlagwörter definieren, mit denen es besser klassifizierbar ist.
Der grüne Haken an jedem Bildchen zeigt an, dass das Projekt mit dem Archiv synchronisiert ist. Mehrere Mitarbeitende können das Archiv gemeinschaftlich verwenden, wobei aber kein gleichzeitiges Bearbeiten desselben Projektes möglich ist.
Eine erhebliche Erleichterung stellt die Multi-Window Ansicht dar: Mehrere Fenster oder sogar ETS-Instanzen können gleichzeitig auf einem Endgerät geöffnet werden. Damit ist es möglich zwischen zwei Projekten schnell zu wechseln oder Projekte untereinander besser zu vergleichen, bzw. Teile zu übertragen.
Auch innerhalb einer Ansicht steht beim Arbeiten Effektivität im Vordergrund: Die Pfeilnavigation lässt durch Anklicken des Zurückpfeils ohne Umwege ein Wechseln in die vorherige Ansicht zu.
ETS 6 Nutzer können sich zudem über ein verbessertes Update-Tool mit Updatebenachrichtigungen und Versionshinweisen sowie über einen Online–Fehlerdiagnose– und Online-Installationsdiagnose Assistenten freuen.
Offenheit durch KNX IoT
Die KNX-Welt hat sich gegenüber IoT geöffnet. Grundlegend dafür ist ein gemeinsamer standardisierter Datenrahmen, den wir in der Gruppenadresse der ETS 6 wiederfinden. Dieser Standard wurde durch die IoT Arbeitsgruppe festgelegt und ermöglicht nun die Kommunikation zwischen der KNX-Welt und KNX fremden Welt.
Für den Fall, dass ein KNX-fremdes Gerät KNX-Funktionen ausführen sollte, verhielt es sich bisher so, dass die Gruppenadresse in einem Gateway definiert wurde. In dem KNX fremden System erfolgte dann die Justierung weiterer Informationen wie der Ort, Datentyp und welche Funktionen zusammengehören.
Eine Schnittstelle bildet die Basis, dass IoT Geräten KNX-Funktionen interpretieren können. Die funktionsbeschreibenden Informationen werden auf der API offengelegt und durch KNX fremde Clients angesprochen. Die ETS 6 bietet einen Datenexport für IoT an, der alle nötigen Informationen enthält, um die KNX-Anlage mit IoT-Anwendungen anreichern zu können.
Neueste Ergänzungen: KNX RF Multi
Was ist KNX-RF?
Die Produktpalette der KNX-Welt erweitert sich durch die über 500 verschiedenen Hersteller stetig. So nehmen drahtlose Kommunikationsstandards wie Funkrauchmelder oder Funktaster einen zunehmenden Stellenwert ein, da diese einerseits das nachträgliche Hinzufügen von Geräten in das KNX-System ermöglichen, aber auch andererseits dort zum Einsatz kommen, wo Geräte nicht an das BUS-Kabel anschließbar sind (wie zum Beispiel ein Taster an einer Glaswand). KNX-Radio Frequency- kurz KNX-RF – bezeichnet diese drahtlose Variante des KNX-Systems.
ETS 6 und KNX-RF
Die RF-Geräte besitzen dabei verschiedene Funkkanäle. Die Information, dass eine Taste gedrückt wurde, muss schnell ans Ziel, wohingegen die Übermittlung einer Temperatur auch etwas länger dauern darf. ETS 6 ist in der Lage, die Frequenzen (slow, fast) automatisch zuzuordnen.
Gerade beim Einbinden von Funkgeräten ist es wichtig, die richtigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. ETS 6 unterstützt KNX Secure Proxy, das ermöglicht, die KNX-Anlagen um verschlüsselnd kommunizierende Teile zu erweitern.
Verbesserte Topologie durch Segmentkoppler
Die ETS 6 verwaltet das klassische Twisted Pair und KNX-RF als verschiedene Medientypen. In der Topologie der Software kann innerhalb derselben Linie das Medium gewechselt werden. Der Parametrierende muss also keine neue Hauptlinie – wie noch in der ETS 5 – erzeugen.
KNX-RF ist kompatibel mit KNX-Twisted Pair, d.h. die Geräte auf den verschiedenen Linien sind in der Lage miteinander zu kommunizieren. Die RF-Linie muss mit einem Medienkoppler an die Hauptlinie angebunden werden. Da dieser Medienkoppler topologisch unter der Hauptlinie ist, müssten für die RF-Geräte neue physikalische Adressen vergeben werden. ETS 6 setzt statt eines Medienkopplers einen Segmentkoppler ein, der Liniensegmente medienunabhängig miteinander verbindet. Das bedeutet, dass die Topologie erhalten bleibt und nur neue Teilnehmer programmiert werden müssen.
Wie viel kostet die ETS 6 und welche Lizenzen gibt es?
Du kannst dich zwischen zwei Lizenztypen entscheiden: Die ETS läuft entweder über einen USB, bzw. Dongel oder einem Internetzugang.
Wir haben dir einen kleinen Überblick zusammengestellt, welche Lizenzen es aktuell auf dem Markt gibt:
Lizenz | Kosten | Anzahl Geräte/Projekte | Für wen geeignet? |
ETS 6 Professional | €1000 | Unbegrenzt | Professionelle Installateure |
ETS 6 Home | €350 | 64 Geräte, ein Projekt | Privater Gebrauch |
Die ETS6 Lite | €200 | 20 Geräte pro Projekt. Anzahl der Projekte unbegrenzt | zertifizierten Schulungszentren für Trainingszwecke |
Die ETS6 Lite eCampus (3 Monate) | kostenlos | s. ETS lite | Kann nach Abschluss des eCampus erworben werden. |
Upgrades zwischen den Versionen sind ebenfalls möglich.
Fazit: Lohnt sich ein Update?
Halten wir fest:
+ Workflow und Übersichtlichkeit
Die ETS 6 bietet eine verbesserte Benutzererfahrung, da die Gebäudestruktur innerhalb des Projektes und das Dashboard optisch ansprechender gestaltet sind. Die parallele Fenstereröffnung erhöht die Vergleichbarkeit von Projekten und das schnelle Wechseln der Ansichten innerhalb eines Projektes.
Am Parametrierungsvorgang ändert sich nichts Grundlegendes. Durch das Anlegen der Gebäudestruktur und das Hineinziehen der Geräte ergeben sich die physikalischen Adressen. Die Beschreibung der Funktionen und die Verknüpfung der Kommunikationsobjekte über die Gruppenadressen erfolgt ebenfalls wie in ETS 5.
+ Offenheit
Die ETS 6 ist auf jeden Fall offener für die Integration weiterer Geräte, wie KNX-RF Komponenten. Mit dem Einsatz von Segmentkopplern sorgt ETS 6 für eine unkomplizierte Integration von Funkgeräten in die Topologie des Smart-Home-Projektes.
Wer jedoch Funkgeräte für sein Smart Home ausschließt und bisher gut mit der Programmierung via ETS 5 zurechtgekommen ist, braucht nicht unbedingt ein Update. Professionelle Dienstleister, die an mehreren Projekten arbeiten, sollten auf jeden Fall auf die neue Version umsteigen. Neueinsteiger können nur die neue Version auf dem Markt erwerben.
Wie lerne ich das Programmieren mit der ETS?
Mit unserem ETS-Kurs hast du das gesamte Wissen, um alle individuellen Anforderungen an dein Smart Home in Steuerungsbefehle umzusetzen.
Du bist Bauherr und willst die gesamte Planung deines zukünftigen Smart Homes selbst in die Hand nehmen?
Eine gute und zukunftsfähige Planung ist nicht einfach. Es kann viele Herausforderungen geben, die man erst nach der Fertigstellung entdeckt. Und dann ist es bereits zu spät…
- Willst du dein eignes Smart Home selbst planen und programmieren?
- Möchtest du dir auch sicher sein, dass das Endergebnis reibungslos funktioniert?
- Ist es dir wichtig, die passenden Produkte für dein System ausgewählt zu haben?
Dann helfen wir gerne.
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